Wohlige Wärme aus dem Ostsee? Auf meiner „Zukunftstour“ zu Besuch bei den Stadtwerken Cottbus

Heiner Klemp, Isabell Hiekel und Vlatko Knezevic vorm neuen HKW
Heiner Klemp, Isabell Hiekel und Vlatko Knezevic (v.r.n.l.) vorm neuen HKW

Gleich drei Tage ging es auf meiner „2024 Zukunftstour Brandenburg: Auf dem Weg zu innovativen Unternehmen und Projekten“ gemeinsam mit meiner Fraktionskollegin Isabell Hiekel durch die Zukunftsregion Lausitz. Den Auftakt bildete unser Besuch bei den Stadtwerken Cottbus. Die größte Stadt der Lausitz hat sich uns als ein bedeutendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum gezeigt, das entgegen aller Befürchtungen nicht unter dem Ende der Braunkohle leidet. Ganz im Gegenteil, die Stadt boomt, der Strukturwandelprozess scheint zu funktionieren. Die Bevölkerungsentwicklung ist stabil, und es entstehen immer mehr innovative Projekte, die einen wirtschaftlichen Aufschwung versprechen, Cottbus als Wissenschaftszentrum etablieren und der Stadt die Chance geben, zu einem Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Energie- und Stadtentwicklung zu werden. Der zentrale Energieversorger der Stadt sind die Stadtwerke Cottbus.

Eines wird bei unserem Termin bei den Stadtwerken Cottbus sofort klar: Mit Vlakto Knezevic haben die Stadtwerke einen lösungsorientierten und tatkräftigen Geschäftsführer, der nicht nur gewinnorientiert und risikobewusst denkt, sondern dabei immer auch die Akzeptanz der Bevölkerung und das daraus resultierende politische Klima im Blick behält. Die Deutsche Kreditbank hatte Herrn Knezevic 2008 zu den Stadtwerken geholt, als diesen Anfang der 2000er aufgrund technischer Mängel am Heizkraftwerk und einer ungünstigen Bevölkerungsentwicklung die Insolvenz drohte.

Seither hat Herr Knezevic viel geschafft. Die Stadtwerke verkaufen Strom und Gas bundesweit. Sie gewinnen kommunale Ausschreibungen. Nachdem dereinst im Zuge der Sanierung der Tarifvertrag für die Arbeitskräfte abgeschafft werden musste, wurde inzwischen ein neuer Tarifvertrag eingeführt und die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert.

Als Modernisierungsmaßnahme wurde ein neues, deutlich effizienteres Gaskraftwerk gebaut

Statt des sanierungsbedürftigen, in den 90ern gebauten Braunkohlekraftwerkes wurde ein neues Gaskraftwerk gebaut, das flexibel eingesetzt werden kann, deutlich weniger CO2 erzeugt und H2 ready ist. Außerdem wurden Wärmespeicher neu installiert, die es ermöglichen, die erzeugte Wärme gezielt für die Zeiten bereitzustellen, in denen der Bedarf am größten ist. Den schwankenden Strompreis nutzt Knezevic und produziert dann Strom, wenn er ihn teuer verkaufen kann. Die dabei miterzeugte Wärme wird gespeichert, bis sie gebraucht wird. So gelingt es ihm, besonders wirtschaftlich zu agieren und die Preise für die Endkunden niedrig zu halten. Nebenbei unterstützt er damit die Energiewende und entlastet die Netze.

Doch trotz der Modernisierungen und der positiven Entwicklung der Stadtwerke hat Knezevic Bauchschmerzen, wenn er in die Zukunft schaut: „Denn die Stadt hat ein Wärmeproblem.“ Herr Knezevic hat das alles genau durchgerechnet. Der Bedarf wird künftig bei 160-210 MW liegen. Die Stadtwerke selbst produzieren aber gerade mal 50 MW und das aktuell noch aus fossilen Energiequellen. Zurzeit erhalten sie zusätzlich 100 MW von der LEAG aus Jänschwalde. Diese Leistung wird jedoch zu 100% aus Braunkohle gewonnen und damit in absehbarer Zeit wegfallen.

Auf der Suche nach einer Lösung haben die Stadtwerke viele Untersuchungen angestellt. Doch die Studien zeigen, dass weder Geo- noch Solarthermie effizient umsetzbar wären. Die Lösung könnte hingegen im Cottbusser Ostsee liegen. Mit seinen 19km2 und seiner besonderen geografischen Beschaffenheit wäre der größte künstliche Binnensee Deutschlands der optimale Energiesee. „Würde ein Ingenieur einen Sonnenkollektor konstruieren, so würde er den Ostsee konstruieren“, so Knezevic. Die riesige Wasserfläche fängt im Sommer die Sonnenwärme optimal ein und ist in der Lage, diese Energie über lange Zeit zu speichern.

Mit Hilfe einer Seewasserwärmepumpe könnte man die für die Fernwärme benötigten Temperaturen erzeugen und so 40% des Wärmebedarfs der Stadt aus dem Ostsee decken. Der See würde dadurch nicht merklich abgekühlt werden, denn es würden gerade mal 2% der thermischen Energie des Sees genutzt. Und das rund um’s Jahr: Laut Berechnungen wäre die Pumpe an 330 Tagen im Jahr in der Lage, ihre Nennleistung zu erbringen.

Wasserwärmepumpen existieren in Stockholm und Zürich schon seit den 1980er Jahren. In der Größe, in der sie die Stadtwerke zusammen mit dem Fraunhofer Institut planen, gibt es sie allerdings noch nicht. Die Investitionskosten würden sich auf ca. 77 Mio. € belaufen – eine Summe, die die Stadtwerke weder alleine tragen können noch wollen. Denn die daraus resultierenden Preissteigerungen wären für die Bevölkerung nicht azeptabel.

Und die Zeit drängt. Denn die Abschaltung des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde 2028 und damit das Ende der Wärmezulieferungen nach Cottbus rückt immer näher, und der Bau der Seewasserwärmepumpe würde ab Förderfreigabe noch 4-5 Jahre dauern. Zwar gäbe es noch ein Backupkraftwerk, das zur Überbrückung eingesetzt werden könnte, doch das ist so veraltet, dass es weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll wäre und maximal für eine Übergangszeit genutzt werden sollte.

Um den Endkundenwärmepreis niedrig zu halten, brauchen die Stadtwerke daher dringend Fördermittel. Ein Teil könnte aus dem Strukturstärkungsgesetz unterstützt werden, ein anderer aus den Bundesmitteln für effiziente Wärmenetze. Doch ist eine Kombination beider Förderinstrumente wohl nicht zulässig. Daher muss eine staatliche Förderung der benötigten Größenordnung nun einzeln von der EU-Kommission bestätigt werden, ein möglicherweise langwieriger Weg mit unsicherem Ausgang.

Bundes- und Landesregierung unterstützen das Vorhaben und auch mich hat das Projekt überzeugt. Die Stadtwerke Cottbus und ihr Geschäftsführer haben eine klare Strategie, die Energie- und Wärmeversorgung der Stadt von fossilen Energien unabhängiger zu machen, den CO2-Ausstoß zu senken und dafür die Energien zu nutzen, die sich ihnen vor der Haustür bieten: Die vom Ostsee eingefangene Sonnenenergie.