Wie sieht die Zukunft der führenden Menschenrechtsorganisation in Europa aus? Genau das ist der Europarat, und diese Frage stellt sich heute mit großer Dringlichkeit: Seit mehr als einem Jahr ist Krieg mitten in Europa. Krieg in der Ukraine, das heißt auch: Krieg in einem Mitgliedsstaat des Europarats, angezettelt vom nunmehr aus dem Europarat ausgeschlossenen Ex-Mitgliedsstaat Russland. Deshalb werden sich im Mai die Staats- und Regierungschefs des Europarats zum Gipfel in Reykjavik treffen – zum ersten Mal seit 20 Jahren.
Dieses Gipfeltreffen wirft seine Schatten voraus, auch auf die 44. Plenarsitzung des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarats in Straßburg. Zur Erinnerung: Der Kongress ist eine von zwei Kammern des Europarats und hier durfte ich am 21. und 22. März einmal mehr den Landtag Brandenburg im Plenum vertreten.
In meiner Rede zur Zukunft des Europarats habe ich betont, wie wichtig die Arbeit ist, die auf lokaler und regionaler Ebene für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geleistet wird. Nirgendwo sind Politik und Verwaltung den Menschen so nah wie in Städten, Gemeinden und Regionen. In Stadträten, Gemeindeversammlungen oder Regionalparlamenten können Menschen vor Ort ihre Stimme erheben und ihren Einfluss geltend machen. Und auf der lokalen Ebene erfahren wir so unmittelbar wie nirgendwo sonst, wenn etwas nicht stimmt mit den großen Werten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte.
Entsprechend stark ist die Position, die wir als Kongress zum Gipfel vertreten – für die Stärkung der lokalen und regionalen Ebene im Europarat und damit für die Stärkung der Demokratie in ganz Europa.
Ein ganz konkretes Beispiel zur Gefährdung der Demokratie auf der Ebene der Städte und Gemeinden gab es im Monitoring-Ausschuss des Kongresses, dem ich angehöre: Hier trug der Vorsitzende des Stadtrats von Łódź, Marcin Golaszewski, eine Beschwerde vor. Die PiS-Zentralregierung Polens hungere nicht regierungskonforme Kommunen regelrecht aus, indem sie Gelder von den eher liberalen Groß- und Mittelstädten Polens in kleine Gemeinden mit großem PiS-Wählerpotenzial verschieben würde. „Die Städte und Gemeinden sind die letzten Bollwerke der Demokratie in Polen“, sagt Marcin Golaszewski. Im polnischen Wahljahr wiegen seine Vorwürfe besonders schwer. Deshalb erwägt der Monitoring-Ausschuss nun eine Fact Finding Mission nach Polen.
Vor ein paar Wochen wiederum waren Vertreter*innen des Monitoring-Ausschusses in Berlin zu Gast: zur Überwachung der Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen. Das Fazit der Berichterstatter*innen fällt positiv aus, auch wenn es ein paar Verbesserungsvorschläge gab: Die Wahlen waren unterm Strich gut organisiert, der Wahltag friedlich, transparent und effizient verwaltet.
Bericht über die Wahlbeobachtungsmission (Englisch)
Was gibt es noch zu berichten aus Straßburg? Eine Anekdote am Rande: Dieses Mal tagten wir nicht im Europapalast, denn unser Plenarsaal dort wird gerade renoviert. Stattdessen durften wir uns im Gebäude des Europäischen Parlaments versammeln.
Europa mitgestalten: Das erlaubt mir meine Rolle als Vertreter unseres Landtags im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, das wird mir bei den Plenarsitzungen in Straßburg immer wieder bewusst. Dafür bin ich nach wie vor sehr dankbar – ebenso wie für die vielen persönlichen Begegnungen mit politisch engagierten Menschen aus ganz Europa. Zu ihnen gehört Janis Ievins, den ich im vergangenen Jahr während meiner Sommertour in Riga kennengelernt und jetzt beim Plenum wiedergetroffen habe. Denn mittlerweile ist Janis der Jugenddelegierte Lettlands im Kongress – und damit einer von vielen engagierten jungen Menschen im Europarat, die Europas Zukunft mitbestimmen.