Europäische Perspektivwechsel und grünes Netzwerken im KGRE

Blick in den Plenarsaal während des KGRE-Plenums im Europapalast in Straßburg.
Blick in den Plenarsaal während des KGRE-Plenums im Europapalast in Straßburg.

Als Vertreter des Landtags Brandenburg durfte ich in der vergangenen Woche zum ersten Mal an einer Plenarsitzung des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates (KGRE) im Straßburger Europapalast teilnehmen. (Die jüngste Zusammenkunft des KGRE im März fand virtuell statt.)

Auf der Agenda standen diverse Themen, die Städte und Gemeinden ebenso wie Regionen in ganz Europa beschäftigen und berühren – darunter natürlich die Corona-Pandemie und das Thema Migration. Schließlich sind es vor allem lokale und regionale Gebietskörperschaften, die sich den Herausforderungen von Flucht und Migration stellen: Auf lokaler Ebene entscheidet sich, ob Integration gelingt!

Was die Kommunen brauchen, ist ein klarer rechtlicher Rahmen und Einigkeit über fundamentale Grundsätze nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene. Dazu gehört zuallererst der Schutz von Menschenrechten. Leider sehen wir aktuell wieder, dass diese an den EU-Außengrenzen mit Füßen getreten werden. Das ist nicht hinnehmbar, darüber war sich die große Mehrheit der Abgeordneten im KGRE einig. Am meisten beeindruckt in der Debatte hat mich der Beitrag eines polnischen Delegierten: Marcin Gołaszewski, Vorsitzender des Stadtrats von Łódź, thematisierte das Vorgehen der polnischen Regierung an der Grenze zu Belarus, wo Geflüchtete nicht nur teilweise mit Gewalt zurückgewiesen, sondern ihnen auch ärztliche Hilfe verweigert wird. Seine massive Kritik daran verpackte Gołaszewski in deutliche, leidenschaftlich vorgetragene Worte, die mir einmal mehr zeigten: Polens progressive Kräfte sind keine kleine Minderheit, sondern viele, mutige Demokraten und Europäer!

Mehr dazu: Human Rights Handbook des KGRE – Fighting Against Discrimination (PDF, englisch)

Wir hinterfragen gerne, wie es um die demokratische Grundeinstellung in den Ländern Osteuropas bestellt ist – die westliche Perspektive gen Osten ist dabei von einer gewissen Überheblichkeit geprägt. Das KGRE-Plenum hat hier einen wohltuenden Perspektivwechsel ermöglicht: Aus mehreren Ländern gab es Berichte über die Einhaltung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, die die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats ratifiziert haben.

Darunter sind auch die Niederlande, ein Staat mit einer langen Tradition, was die kommunale Demokratie angeht. Und doch hatte mein slowenischer Fraktionskollege im Monitoring-Ausschuss, Vladimir Prelibič, in seinem Bericht diverse Kritikpunkte – darunter die fehlende Klärung und Überschneidung von Zuständigkeiten zwischen Gemeinden und Provinzen sowie die unzureichende finanzielle Ausstattung der kommunalen Verwaltung. Am besorgniserregendsten jedoch ist in unserem westlichen Nachbarland das Ernennungsverfahren der Bürgermeister: Diese werden nicht etwa demokratisch gewählt, sondern per königlichem Dekret bestimmt! Hier mahnt der KGRE zur Einhaltung grundlegender Prinzipien der Demokratie. Es zeigt sich: Das Monitoring hat in allen europäischen Staaten seine Berechtigung, denn Demokratie ist kein einmal auf Dauer erworbener Status, sondern muss fortlaufend verteidigt und mitunter auch neu erkämpft werden.

Mehr dazu: der im KGRE abgestimmte Monitoring-Bericht über die Niederlande

Eines meiner ganz persönlichen Ziele bei dieser Plenarsitzung war es, unsere grünen Delegierten aus ganz Europa zusammenzubringen und zu vernetzen. Denn in unserer Fraktion aus Sozialisten, Grünen und progressiven Demokraten sind wir einer der kleinen Partner. Umso wichtiger ist es, als grünes europäisches Team aufzutreten. Dafür haben wir in der vergangenen Woche den Anfang gemacht und Gespräche geführt, wie wir uns als Grüne in der Fraktion besser einbringen, unseren Positionen mehr Gewicht verleihen und sichtbarer werden können.

Wir Grünen im KGRE: Julia aus Frankreich, Karin aus Schweden und Saara aus Finnland sowie Josha, Stefan und Heiner aus Deutschland.

Alles in allem ein sehr erkenntnisreiches KGRE-Plenum! Als europapolitischer Sprecher der bündnisgrünen Landtagsfraktion ist es mir nach wie vor eine große Freude, das brandenburgische Parlament am Sitz des Europarats in Straßburg vertreten zu dürfen.

Vor dem hohen Haus: Der Europapalast in Straßburg ist der Sitz des Europarats, dem 47 Staaten angehören.