Schon von weitem bleibt der Blick an dem gigantischen, metallischen Koloss hängen, der alles überragend aus der Landschaft zu schießen scheint. Direkt davorstehend überwältigt einen ein Gefühl von Ehrfurcht und Staunen. Die Förderbrücke F60 ist 502 Meter lang, 204 Meter breit, 80 Meter hoch und 11.000 Tonnen schwer. Ihre schiere Größe lässt einen die Macht der Vergangenheit spüren.
Generationen von Arbeiter*innen haben in der Lausitz hart daran gearbeitet, die Energieversorgung der DDR sicherzustellen und dafür gesorgt, dass die Lichter nicht ausgingen. Es war ihre harte Arbeit, die diese Region geprägt hat, und ohne ihren Einsatz wäre die Entwicklung des Landes nicht denkbar gewesen.
Braunkohleabbau galt lange als Motor des wirtschaftlichen Fortschritts. Noch vor fünf Jahren haben wir ernsthaft darüber diskutiert, neue Tagebaue aufzuschließen oder bestehende Tagebaue zu vergrößern. Heute erscheint das unvorstellbar, das ist ein zentraler Verdienst der bündnisgrünen Regierungsbeteiligung im Land. Denn mittlerweile wissen wir, welche ökologischen und sozialen Kosten damit verbunden sind. Milliardenbeträge fließen in die Renaturierung.
Der „liegender Eiffelturm der Lausitz“ steht wie kaum ein anderes Bauwerk sinnbildlich für die Geschichte des Braunkohleabbaus. Für viele Menschen in Brandenburg und besonders in der Lausitz ist die F60 ein Denkmal – nicht nur ihrer industriellen Vergangenheit, sondern auch der Herausforderungen, vor denen wir als Gesellschaft heute stehen. Sie ist ein Symbol, das uns mahnt, die Vergangenheit in Ehren zu halten und gleichzeitig Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.
Während meiner „2024 Zukunftstour Brandenburg: Auf dem Weg zu innovativen Unternehmen und Projekten“ konnten meine Fraktionskollegin Isabell Hiekel und ich uns bei einem gemeinsamen Besuch der F60 selbst ein Bild davon machen: die Ehrfurcht vor der Lebensleistung der Bergleute erleben, aber auch die Nachdenklichkeit spüren, die einen ergreift, wenn man sich die gewaltigen Eingriffe in die Natur vor Augen führt.
Der stellvertretende Geschäftsführer und technische Leiter des Besucherbergwerks Marcus Weise führte uns über die Förderbrücke und versorgte uns mit Hintergrundinformationen. Von oben hat man einen guten Blick auf die umliegende Landschaft und den Bergheider See.
Die Abraumförderbrücke wurde von 1989 bis 1991 gebaut. Insgesamt haben Planung und Montage circa 10 Jahre gebraucht. Im Betrieb war sie hingegen nicht mal 1,5 Jahre. Nach der Wende ging die Nachfrage nach Kohle zurück und sie wurde nicht mehr gebraucht.
Abraumförderbrücken lagern Abraum um, also all das, was sich über der Kohle befindet. Kohle liegt in der Regel in einer Tiefe von circa 90 Metern. Die obersten 30 Meter des Abraums, die noch humushaltig sind, werden separat abgebaggert und gelagert. Die folgenden 60 Meter schaffen Abraumförderbrücken zur Seite, daher auch der Name F60. Dabei befördern riesige Schaufelbagger den Abraum auf das Förderband der Brücke. Die Brücke selbst gleitet auf Schienen über den Tagebau, die sie dabei selbst verrückt und sich so im Zickzack vorwärtsbewegt. All das ist bei einem Rundgang gut zu erkennen.
Jedes Jahr nehmen 65.000-70.000 Besucher*innen an einem solchen teil. Hinzu kommen circa 30.000 Veranstaltungsgäste. Allein das Feel Festival zieht jährlich circa 15.000 Personen an. Dank dieser Zahlen trägt sich das Besucherbergwerk komplett selbst. 20 Personen arbeiten im Team, acht davon sind Besucher*innenführer. „Und es könnten noch mehr sein“, so Weise, „aber der Arbeitskräftemangel macht auch uns hier zu schaffen.“ Dass zur Förderbrücke meist nur ein Ruf- oder Kleinbus fährt, erschwert den Zugang für potenzielle Besucher*innen zusätzlich. „Immer wieder haben wir Anfragen von Berliner Schulklassen, aber die müssten ja mehrfach umsteigen und kämen dann trotzdem nur bis Finsterwalde, weil der Rufbus keine Gruppen transportiert.“
Dieses Problem ist schon einmal an mich herangetragen worden. Ich habe damals eine kleine Anfrage im Landtag zur Nutzung von Rufbussen durch Gruppen gestellt. Die Antwort der Landesregierung war insofern ernüchternd, als sie darauf verwies, dass die Beförderung von Gruppen von den eingesetzten Fahrzeugtypen abhängt. Hier braucht es klarere Vorgaben vom Land an die Verkehrsunternehmen. Es kann nicht sein, dass der Transport von Gruppen davon abhängig ist, welches Fahrzeug gerade zur Hand ist. Zumindest aber muss aus dem Fahrplan erkennbar sein, ob Gruppen mitgenommen werden können oder nicht. Für die Fahrgäste ist nicht vorhersehbar, welcher Fahrzeugtyp tatsächlich erscheint, was die Planung und Nutzung zusätzlich erschwert. Die Idee hinter dem Rufbus ist ein flexibles und bedarfsgerechtes Transportangebot. Nur wenn dieses Potenzial auch ausgeschöpft wird, kann er ein echtes Element der Verkehrswende sein und als Zugangsweg zu wichtigen Zielen wie der Förderbrücke F60 effektiv genutzt werden.
Aktuell macht Herr Weise sich aber vor allem um den Korrosionsschutz der F60 Gedanken. Denn der muss erneuert werden, was bei der immensen Größe des Bauwerks eine logistische Herausforderung darstellt. Zum Abtragen des Rosts sind allein 3500 Tonnen Strahlsand notwendig. Laut einem Gutachten der LEAG müsste das Besucherbergwerk zur kompletten Erneuerung des Korrosionsschutzes ein ganzes Jahr schließen. Um dies zu vermeiden, plant das Team, die Arbeiten schrittweise durchzuführen und nur einzelne Abschnitte für die Erhaltungsmaßnahmen zu schließen. Wenigstens um die finanziellen Kosten muss sich das Team des Besucherbergwerks keine Gedanken machen. Da die F60 ein touristischer Magnet ist, wurden dem Unternehmen 28 Millionen Euro aus dem Strukturmittelfond bewilligt.
Neben dem Rostschutz ist mit dem Geld noch ein zweites Projekt geplant: Der Neubau eines multifunktionalen Ausstellungsgebäudes. Das derzeitige Infozentrum ist zwar authentisch, aber schlecht gedämmt. Der Neubau soll hochmodern werden und Raum für audiovisuell und digital aufbereitete Informationen bieten.
Dies ist nur einer von vielen Plänen für die Zukunft. Der Bergheider See soll in den nächsten Jahren weiter touristisch entwickelt werden. Schon jetzt schwimmen dort ein vom Fraunhofer-Institut entwickeltes energieautarkes Haus und ein solarbetriebenes Konferenzboot der F60 Concept GmbH, dem Unternehmen, das all die Events rund um die Förderbrücke organisiert. In Zukunft wird hier noch einiges mehr entstehen und mittendrin die F60 als Symbol des Wandels, als Zeichen eines Paradigmenwechsels.
Dank der Erneuerbaren Energien gehören Naturzerstörungen derart gigantischen Ausmaßes der Vergangenheit an. Die Umwandlung ehemaliger Tagebaugebiete in Naturschutz- oder Erholungsflächen zeigt, dass die Zukunft gelingen kann. Dieser Wandel erfordert jedoch aktive Gestaltung – durch Investitionen in erneuerbare Energien, durch Bildung und Innovation und durch eine Politik, die die Bedürfnisse der Menschen ernst nimmt. Die Förderbrücke ist somit nicht nur ein Relikt aus der Vergangenheit, sondern ein Mahnmal und Motivation für eine nachhaltige Zukunft.
Zur Webseite des Besucherbergwerks F60
Zur Kleinen Anfrage von Heiner Klemp (PDF)
Zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage (PDF)