In die serbische Hauptstadt Belgrad hat mich meine Arbeit für den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats (KGRE) Anfang April geführt: Als Mitglied des Monitoring-Ausschusses gehörte ich zu einer 15-köpfigen Delegation, die der KGRE zur Beobachtung der dortigen Kommunalwahlen am 3. April entsandt hatte.
Denn während unter anderem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für die unabhängige Beobachtung von Wahlen auf staatlicher Ebene zuständig ist – darunter die serbischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die zeitgleich stattfanden –, beobachtet der KGRE lokale und regionale Wahlen in den Mitgliedsstaaten des Europarats.
Unsere Delegation teilte sich auf sieben Teams auf, die die Wahlen in Belgrad und einigen umliegenden Gemeinden beobachteten. Mein Team war nur in der Hauptstadt unterwegs, wo wir insgesamt 13 Wahllokale besuchten. Das Positive vorneweg: Die Wahlen war sehr gut und professionell organisiert, die Wahlvorstände gut vorbereitet. Wir konnten insgesamt einen weitgehend ordentlichen Ablauf der Wahl selbst feststellen und wurden in unserer Arbeit vor Ort nicht behindert. Hier und da gab es organisatorische Probleme, diese waren aus unserer Sicht allerdings nicht systematisch.
Mindestens bemerkenswert erschien uns die Aufstellung der Wahlkabinen: In einem Wahllokal, das bei uns in Deutschland vielleicht Platz für drei Kabinen mit ausreichend Abstand zueinander bieten würde, standen in Belgrad bis zu acht Kabinen dicht an dicht – und lediglich durch Pappaufsteller voneinander getrennt. Was die Wahrung des Wahlgeheimnisses angeht, besteht hier definitiv Verbesserungsbedarf. Das ist einer der Punkte, die Eingang in unseren Abschlussbericht finden werden.
Darüber hinaus steht fest, dass eine Kurzzeit-Beobachtungsmission, die sich wie unsere auf das Wochenende der Wahl selbst beschränkt, natürlich auch nur beurteilen kann, was während dieser kurzen Zeit geschieht. Allerdings erhielten wir in Gesprächen mit Vertreter*innen der Parteien, von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und der Medien zumindest einen Eindruck davon, dass diese Wahlen nicht wirklich unter fairen Bedingungen stattgefunden haben.
Dies betrifft unter anderem die ungerechte Finanzierung der Parteien – und deren Präsenz in den Medien: Fest in der Hand der nationalistischen Fortschrittspartei von Präsident Aleksandar Vučić ist das Staatsfernsehen, in dessen Berichterstattung die Opposition praktisch nicht vorkommt. Auf der anderen Seite behindert die Regierung die Arbeit des nach Einschätzung der OSZE einzigen unabhängigen Fernsehsenders N1, unter anderem, indem ihre Vertreter sich grundsätzlich weigern, dort aufzutreten. Ein gesellschaftlicher Diskurs ist durch diese Blockadehaltung und die Polarisierung der Medienlandschaft praktisch nicht möglich.
Vertreter*innen der NGOs machten uns darüber hinaus darauf aufmerksam, dass auf Angestellte im öffentlichen Dienst großer Druck ausgeübt werde, „das Richtige“ zu wählen. Das geht soweit, dass diese aufgefordert werden, ihren Wahlzettel nach abgegebener Stimme zu fotografieren und ihren Vorgesetzten zu zeigen! Hinzu kommen Wählerlisten, auf denen teilweise auch bereits Verstorbene stehen – oder Personen, die im Ausland leben und deshalb nicht wahlberechtigt sind.
Angesichts dieser rechtstaatlichen Defizite gepaart mit Staatspropaganda verwundert das starke Abschneiden von Präsident Vučić und seiner Partei bei den Präsidentschafts- und den auf seine Initiative hin vorgezogenen Parlamentswahlen nicht: Der Präsident wird auf staatlicher Ebene ungehindert weiter mit autokratischen Zügen regieren können.
Dennoch gibt es Lichtblicke: Aus den Kommunalwahlen in Belgrad ist die Opposition – darunter das grüne Bündnis „Moramo“ – gestärkt hervorgegangen und kann etwa die Hälfte der Stimmen für sich verbuchen. Hier ist es spannend zu beobachten, welche neuen Machtverhältnisse sich daraus im Stadtparlament ergeben – und wer dort schlussendlich regieren wird. Übrigens: Moramo hat es auch auf staatlicher Ebene erstmals ins Parlament geschafft und wird voraussichtlich künftig mit zwölf Abgeordneten dort vertreten sein.
Offizielle Pressemitteilung zur Beobachtungsmission auf der Website des Europarats