Oberhavel. „Die Autofahrer-Mehrheit im Kreis-Wirtschaftsausschuss verharrt im Hier und Jetzt und verweigert sich einer Vision für die Zukunft.“ So lautet die ernüchterte Bilanz von Heiner Klemp, verkehrspolitischer Sprecher der bündnisgrünen Kreistagsfraktion, nach der Ausschuss-Sitzung am Montagabend. Das Gremium war zur letzten von mehreren Sondersitzungen zusammengekommen, um über die Ausgestaltung des Mobilitätskonzepts Oberhavel 2040 zu verhandeln – bevor dieses Anfang Oktober im Kreistag beschlossen werden soll. „Wenn es bei dem Ergebnis des Wirtschaftsausschusses bleibt, kann ich meiner Fraktion eine Zustimmung zum Mobilitätskonzept nicht empfehlen“, sagt Klemp. Stattdessen werde man andere Änderungsanträge prüfen.
Nach den am Montag im Wirtschaftsausschuss eingearbeiteten Änderungen erscheint das Mobilitätskonzept Oberhavel 2040 nun weitgehend inkonsistent. Gute Ansätze im Textteil finden sich in den Handlungsempfehlungen nicht mehr wieder bzw. werden in ihr Gegenteil verkehrt. Wer etwa darauf gehofft hatte, den innerstädtischen Verkehr durch eine Ausweitung von Tempo 30 zu beruhigen und damit die Innenstädte aufzuwerten, sieht sich enttäuscht. Stattdessen hat eine neue Handlungsempfehlung zur „bedarfsgerechten Optimierung des motorisierten Individualverkehrs“ Eingang ins Konzept gefunden. „Das ist absolut rückwärtsgewandt. Das Mobilitätskonzept hätte ein engagierter Beitrag zur Verkehrswende werden können. Davon ist nach der Ausschuss-Sitzung am Montag nicht mehr viel übrig“, so Klemps bitteres Fazit.
Ein weiteres Beispiel: die PlusBusse. Diesen Freitag steht im Landtag ein Antrag der Regierungskoalition zur Abstimmung, der die Landesregierung und den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) auffordert, die Kreise weiter finanziell und organisatorisch bei der Einführung von PlusBussen unterstützen.
In Oberhavel findet das landesweite Projekt weiter kaum Unterstützer. Als einer von nur drei Landkreisen in Brandenburg hat Oberhavel bislang noch keine PlusBus-Linien eingerichtet – obwohl sich das Konzept als erfolgreich bewährt hat. „Ursprünglich sah das Mobilitätskonzept die Einführung von PlusBussen spätestens ab 2023 endlich auch in Oberhavel vor. Der Wirtschaftsausschuss hat das Vorhaben nun zum Prüfauftrag zurückgestuft. Das ist ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die sich seit Jahren für einen besseren ÖPNV stark machen.“
Dazu gehören die Einwohnerinnen und Einwohner von Oranienburgs Ortsteilen Schmachtenhagen, Wensickendorf und Zehlendorf, die sich schon lange eine Bus-Verbindung nach Wandlitz im Nachbarkreis Barnim wünschen. Dass dies über die Einrichtung einer PlusBus-Linie Oranienburg – Bernau möglich wäre, zeigt unter anderem das bereits im Januar 2017 veröffentlichte Gutachten „Bus und Bahn zusammen gut“, das seinerzeit im Auftrag der bündnisgrünen Landtagsfraktion erstellt wurde.
„Auch und gerade aus Sicht von Schmachtenhagen, Wensickendorf und Zehlendorf, für die der Weg nach Wandlitz buchstäblich naheliegend ist, setzen wir Grünen uns seit langem auf verschiedenen Ebenen für einen PlusBus auf dieser Strecke ein“, betont Klemp. Dieser würde mit Bernau und Oranienburg zwei Mittelzentren direkt verbinden sowie Bahn- und Busverkehr verknüpfen – zwei wesentliche Kriterien für das PlusBus-Konzept.
„Das Land bekennt sich klar zu dem Konzept der PlusBusse, die oft über Kreisgrenzen hinweg verkehren und damit den ÖPNV vielerorts attraktiver machen. Das Angebot solcher Linien soll verdoppelt, Landkreise ohne PlusBusse sollen gezielt angesprochen werden. In Oberhavel bremst nun die Autofahrer-Lobby von FDP, AfD, Freien Wählern und CDU PlusBusse aus“, ärgert sich Klemp, der für Bündnis 90/Die Grünen auch im Landtag sitzt.
Hintergrund:
PlusBus-Konzept: Grundgedanken des PlusBus-Konzeptes sind laut dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) eine direkte, schnelle Linienführung sowie die Verbindung von regionalen Zentren. Das PlusBus-Konzept wurde vor fünf Jahren in Brandenburg eingeführt und hat u. a. zu steigenden Fahrgastzahlen und Einnahmen geführt. Zu den Qualitätskriterien für PlusBusse gehören ein regelmäßiger Verkehr im Stundentakt, verlässliche Verbindungen auch am Wochenende und abgestimmte Bahn-Bus-Verknüpfungen. Mehr dazu auf den Seiten des VBB.
Das im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag erstellte Gutachten aus dem Jahr 2017 enthält eine ausführliche Analyse zu den Verflechtungen im Korridor Oranienburg – Wandlitz – Bernau und belegt die hohen Potenziale dieser Verbindung für eine landesbedeutende Buslinie.